–Das Glossar wird laufend aktualisiert und erweitert.–

Account/Profil
‚Account‘ ist die Abkürzung von ‚user account’, im Deutschen auch ‚Benutzerkonto‘.
Eigentlich bezeichnet ‚Account’ die Berechtigung zu einem zugangsbeschränkten IT-System. Mit einem Benutzernamen und Kennwort authentifizieren sich Benutzer*innen für den Zugang zu ihrem Account. Oft wird der Begriff aber auch umgangssprachlich synonym zu ‚Profil‘ verwendet, dann bezeichnet er den individuellen Auftritt/die persönliche Webseite von Nutzer*innen innerhalb eines Sozialen Netzwerks.

Affektzeugenschaft
Der Begriff der Affektzeugenschaft beschreibt einen spezifischen Modus, der insbesondere im Kontext von zivilgesellschaftlichen Protesten und politischem Aktionismus artikuliert wird. Gemeint ist ein Bezeugen der eigenen Betroffenheit in – meist amateurhaften – Bildern und Filmaufnahmen, die immer schon in Bezug auf eine Gemeinschaft oder ein Kollektiv hin gedacht ist. In solchen Aufnahmen wird die eigene Betroffenheit zur zentralen Mitteilung. Die vor allem durch das Social Web hervorgebrachte Zirkulation von Bildern (u.a. in Memen) ist ein entscheidender Part der neuen Bildpraktiken, denn es geht wesentlich um die Wechselseitigkeit von Affizieren und Affiziertwerden, um Gefühle von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität.

Kari Andén-Papadopoulos: Citizen camera-witnessing. Embodied political dissent in the age of mediated mass self-communication (2014)

Kerstin Schankweiler: Videos von Polizeigewalt in den Sozialen Medien (2018)

Algorithmen
Mit Algorithmen werden Abläufe, die mit Computerprogrammen ausgeführt werden, genau geregelt. In die Debatte geraten sind Algorithmen vor allem durch die großen Plattformen der Sozialen Medien, da mit ihnen festgelegt wird, welche Inhalte in welchen Reihenfolgen auf Suchanfragen hin angezeigt werden und was auf Timelines bzw. Feeds überhaupt sichtbar wird. Die Algorithmen sind dabei so komplex, dass sie auf das bisherige Such- und Nutzungsverhalten des einzelnen Users reagieren – mit der Folge, dass das, was angezeigt wird, stark personalisiert ist, damit aber oft auch Erwartungen bestätigt und Einstellungen verfestigt. Der Vorwurf, viele User der Sozialen Medien seien in sog. ‚Filter-Bubbles’ – in einer jeweils homogenen Umgebung – gefangen, ist Folge der Anwendung derart komplexer Algorithmen. Ebenso wird oft die Sorge artikuliert, die Plattformen könnten beliebig manipulieren, was überhaupt sichtbar wird, und damit nicht nur auf die Meinungsbildung im Allgemeinen, sondern auch auf Protestbewegungen oder Wahlen Einfluss nehmen. Entsprechend gibt es verstärkt die Forderung, dass die Plattformen die Algorithmen, mit denen sie agieren, öffentlich machen und zur Diskussion stellen. Nur Transparenz hinsichtlich des Einsatzes von Algorithmen würde den Standards demokratischer Gesellschaften entsprechen.

Algorithmic bias
Programme der Gesichtserkennung werden mit Bildmaterial aus Datenbanken trainiert, die beliebige Bilder aus dem Internet enthalten. Da diese aber vor allem Menschen aus privilegierten Milieus zeigen, die sichtbarer als andere sind, können jene Programme z.B. Männer besser als Frauen, Weiße besser als Schwarze oder Jüngere besser als Ältere erkennen. So kommt es zu dem als ‚algorithmic bias’ bezeichneten Phänomen, also zu Verzerrungen, die dazu führen, dass Menschen aus nicht-privilegierten Milieus häufiger unzutreffend identifiziert und so etwa auch fälschlicherweise kriminalisiert werden.

Bot
Ein Bot ist ein Programm, das nach seiner Aktivierung im Internet automatisch zuvor gegebene Befehle ausführen kann. Dazu gehören allen voran die Programme hinter den Suchmaschinen (sog. „Webcrawler“): Sie durchforsten unablässig das Internet nach indexierten Inhalten. Auch zu böswilligen Zwecken werden solche ‚Roboter‘ vielfach eingesetzt, etwa zum Sammeln von E-Mail-Adressen für personalisierte Werbung. Bots können auch mit Menschen kommunizieren. Sog. „Chat-Bots“ werden z.B. eingesetzt, um automatisiert Fragen zu beantworten. Unternehmen nutzen Chat Bots daher oftmals für ihren Kundendienst. Auch in den Sozialen Medien kommen sog. „Social-Bots“ zunehmend zum Einsatz. Hier werden sie häufig darauf programmiert, Postings zu teilen, zu liken oder zu kommentieren, um z.B. Tweets bei Twitter automatisch als Posts bei Facebook zu veröffentlichen. Doch auch Social Bots werden zu bösartigen Zwecken instrumentalisiert. So können im Zusammenhang mit der gezielten Verbreitung von sog. „Fake News“ und vorsätzlicher Manipulation falsche Accounts von Social Bots genutzt werden, um entsprechende Nachrichten zu erstellen, zu verbreiten und/oder zu kommentieren.

Clickbaiting

Mit Clickbaiting wird medienkritisch die Strategie bezeichnet, Inhalte im Internet mit einem „Klickköder“, in der Regel in Form einer reißerischen Überschrift, anzupreisen. Clickbaits dienen dem Zweck, höhere Zugriffszahlen und damit unter anderem mehr Werbeeinnahmen durch Internetwerbung oder eine größere Markenbekanntheit der Zielseite zu erzielen.

Digital Natives
Als ‚Digital Natives’ werden nach 1980 Geborene bezeichnet, die bereits mit digitalen Techniken und Praktiken aufgewachsen sind, für die Internet, E-Mails, Chats oder Computerspiele also von Kindheit an vertraut waren. Im Unterschied zu ‚Digital Immigrants’, die noch in der analogen Welt großgeworden sind, müssen sie nicht umlernen, um sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Andererseits wird ihnen oft ein Mangel an medienkritischem Bewusstsein unterstellt, das für Vertreter*innen der Generationen, die mit Massenmedien wie Fernsehen und Presse sozialisiert wurden, als selbstverständlich gilt.

Feed/Timeline

Der ‚Feed‘ ist mittlerweile auf jedem Sozialen Netzwerk die Startseite. Von den dort eingehenden Verlinkungen geht es zu Nachrichtenseiten oder Blogs, Einkaufsangeboten oder Spielen. Bei Facebook nennt man diese Front- oder Startseite ihrer wichtigsten Funktion entsprechend „Newsfeed“, bei Twitter heißt sie „Timeline“, bei Tumblr „Dashboard", bei fast allen spricht man aber auch einfach nur von „Feed“. Bestimmt werden Auswahl und Abfolge der in einem Feed angezeigten Inhalte durch Algorithmen.
Im Newsfeed sammeln sich Kontakte und Interessen, Inhalte von befreundeten Personen, öffentlichen Persönlichkeiten, Zeitungen oder Institutionen, sprich allen, denen man ‚folgt‘ – und natürlich sehr viel Werbung. Der Facebook-Newsfeed oder die Twitter-Timeline vermitteln ihren Nutzern das Gefühl, einen Überblick zu erhalten und gleichzeitig etwas ganz Spezielles oder Persönliches zu erfahren. Der Feed ist der wichtigste Austragungsort für das soziale Leben im Internet und der Zugang zum restlichen World Wide Web – ein langer Eingangsflur, von dem aus unzählige Türen abgehen.

Annekathrin Kohout: Der Feed als Kulturtechnik (2018)

Filter
Jede Fotografie-App und -Funktion innerhalb und außerhalb Sozialer Netzwerke bietet ‚Filter’ zur Bildbearbeitung an. Populär wurden Filter vor allem in der Anfangszeit von Instagram, dessen erstes Logo nicht zufällig eine Polaroid-Kamera zitierte. Auch die zu Beginn verfügbaren Filter orientierten sich an der (Farb-)Ästhetik der früheren Instant-Fotografien, ebenso das quadratische Format. Filter sollten deshalb auch nicht vorrangig der Verschönerung von Bildern dienen, sondern der Suggestion von Authentizität. Mit Filtern ließ und lässt sich nahelegen, dass es sich um Momentaufnahmen handelt. Deshalb wird mit jedem Filtereffekt eine gewisse Stimmung ausgedrückt. Die Auswahl des Filters dient somit dazu, die subjektive, gefühlsmäßige Situation näher zu charakterisieren. Dadurch wandelt sich das von Roland Barthes formulierte „Es-ist-so-gewesen“ der Fotografie – das sich auf die äußere, sichtbare Wirklichkeit bezog – zu einer subjektiven und situativen Aussage: „Es-ist-bei-mir-gerade-so“, die sich auf den Gefühlszustand, die innere Wirklichkeit, bezieht. Die vermeintliche Authentizität des Bildes entsteht somit durch den Live-Charakter, den Filter suggerieren.

Katja Gunkel: Der Instagram-Effekt (2018)

Follower
Zunächst einmal bezeichnet ‚Follower‘ eine Person, die den Nachrichten oder sonstigen Postings eines bestimmten Anbieters oder zu einem spezifischen Thema über Online-Dienste ‚verfolgt‘. Allerdings sind Follower neben Likes und Reposts zugleich eine zentrale Währungseinheit in der sog. ‚Ökonomie der Aufmerksamkeit‘. Durch Internet und Soziale Medien hat einerseits die Produktion von Informationen und Unterhaltung enorm zugenommen, andererseits ist der Zugang dazu immer weniger beschränkt. Die einzig knappe Ressource bleibt die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen. Um Aufmerksamkeit zu generieren, helfen zuvorderst hohe Zahlen an Followern, Likes und Repost, nicht nur, weil dies von Autorität und Qualität zeugt, sondern auch, weil ein Account oder Posting mit mehr Interaktionen von den Algorithmen der Plattformen bevorzugt werden und entsprechend häufiger in die Feeds der Nutzer*innen gelangen. Im Zusammenhang mit Social Media-Marketing oder Influencer-Marketing werden sie dadurch auch zur tatsächlichen Währung: Mehr Follower sichern ein höheres Einkommen. Deshalb kommt es häufig auch zum bislang legalen Kauf von Followern bei entsprechenden Webservices. Da es sich beim ‚Folgen‘ nicht nur um eine aufmerksamkeitsökonomische und ökonomische, sondern auch um eine soziale Währung handelt, sind käuflich erworbene Follower aber gesellschaftlich nicht akzeptiert, sondern gelten folgerichtig als Täuschungsversuch.   

Hashtag

Ein ‚Hashtag‘ dient der Markierung bestimmter Inhalte mit dem Ziel der Vernetzung. Er bezeichnet das Doppelkreuz, das vor ein Schlagwort gesetzt wird, unter dem der Inhalt anderen Nutzer*innen angezeigt und mithilfe der Suchfunktion aufgefunden werden kann.
Meistens ordnet ein Hashtag das Geschriebene in einen größeren Zusammenhang ein, wenn er z.B. ein bestimmtes Thema benennt: #Feminismus, #Selfie, #Bergfest. Viele Themen werden mittlerweile innerhalb Sozialer Netzwerke auch über einen oder mehrere Hashtags definiert, der wiederum die Plattform bildet, auf der sich über das jeweilige Thema ausgetauscht wird. Populäre Beispiele sind etwa #JeSuisCharlie, #RefugeesWelcome, #EheFürAlle oder #metoo. Aber nicht nur über tagespolitische Themen tauschen sich Nutzer*innen mithilfe von Hashtags aus, sondern auch verschiedene (Fan-)Communities werden damit markiert.
Besondern auf Instagram haben Hashtags oftmals die Funktion, Inhalte zu legitimieren, oder sie sind dabei behilflich, sie sogar erst zu kreieren: In diesem Sinne wird ein Selfie mit #selfieoftheday verschlagwortet oder ein altes Familienfoto mit #tbt („Throwbackthursday“).
Auch eine Ästhetisierung von Hashtags hat längst stattgefunden, dann geht es weniger um Vernetzung und Austausch, als vielmehr darum, die eigenen Kreativität und Coolness unter Beweis zu stellen.

Berit Glanz: Rhetorik des Hashtags (2018)

Influencer*in
‚Influencer*innen‘ sind Personen, die aufgrund der hohen Anzahl an Followern in Sozialen Netzwerken über eine so große Reichweite und damit Einfluss verfügen, dass sie selbst als Werbeträger*innen und ihre Profile als Orte für Produktplatzierung dienen können. Man spricht dann vom ‚Influencer-Marketing‘.
Die Profile der Influencer*innen sind in den meisten Fällen eine Plattform für die Inszenierung ihrer Persönlichkeit: ihres Lebens und ihrer individuellen Vorlieben hinsichtlich Ernährung, Mode, Reisen, Wohnen usw.
Entdeckt wurden Influencer*innen von Firmen, da sie deren Produkte als Privatpersonen viel authentischer bewerben können. Allerdings steht die gezielte Inszenierung von Glaubwürdigkeit bereits seit längerer Zeit unter der Kritik: Es handle sich dabei um gezielte Manipulation.
Sosehr Influencer*innen verschiedenen Marken als Botschafter*innen dienen, so dienen umgekehrt die Markenprodukte auch dem Generieren von Inhalten für ihre Profile und erleichtern ihnen den Aufwand der Selbstinszenierung.

Andreas Gebesmair: Influencer und ihre Multi-Channel-Networks (2018)

Sebastian Löwe: Rhetorik der Einflussnahme. Die Influencerin als ästhetisches Identifikations- und Sinnangebot (2018)

Wolfgang Ullrich: Ganz ohne Einflussangst. Zur Karriere der Influencer (2018)

Instagramability
In Anlehnung an Instagram, das für Bilder wichtigste Soziale Netzwerk, hat sich der Terminus ‚Instagramability’ eingebürgert, der Eigenschaften umfasst, die Postings aufweisen müssen, um erfolgreich zu sein. So ist damit einerseits gemeint, dass etwas fotogen zu sein hat und auf einem fotografischen Bild sowie als Reproduktion gut zur Geltung kommen soll. Andererseits aber sollte es innerhalb des Sozialen Netzwerks auch zahlreiche Reaktionen auslösen. Denn nur Beiträge, die oft gelikt und kommentiert werden, gelangen angesichts der Algorithmen, mit denen Plattformen wie Instagram programmiert sind, in so viele Feeds, dass sie nennenswert auffallen und dann zu weiteren Reaktionen veranlassen. Der Impuls, auf einen Beitrag zu antworten, entsteht am ehesten dann, wenn dieser emotional zu berühren vermag oder überrascht, so dass man reflexhaft darauf reagiert. ‚Instagramable’ sind also Bilder, die witzig, niedlich, frech, verblüffend sind, die durch eine Pointe oder ein hohes Maß an Unwahrscheinlichkeit bestechen oder die ein existenzielles Thema vergegenwärtigen. Oft sind sie zudem durch Filter oder andere digitale Bearbeitungstechniken rhetorisch überhöht.

IRL
Mit ‚IRL’ wird in den Sozialen Medien die Phrase ‚in real life’ abgekürzt. Schon seit den 1990er Jahren wurde ‚IRL’ in Chatforen benutzt, um ein Gespräch zu beenden bzw. jenseits des Chats fortzusetzen: „Talk to me IRL!“. Seither hat sich die Verwendung von ‚IRL’ – und damit auch dessen Bedeutung – verändert und drückt je nach Internet-Szene oder Milieu etwas anderes aus. In jedem Fall aber meint ‚in real life‘ nicht mehr einfach nur die Offline-Welt, vielmehr wird mit ‚real’ Echtheit, das Authentische im Gegensatz zum bloß Inszenierten und Vermittelten beansprucht. Die Wendung ‚IRL’ signalisiert daher, oft auch ironisch verbrämt, eine medienkritische, zumindest aber eine medienskeptische Einstellung.

Linsen/Masken
Die im September 2015 von Snapchat eingeführten „Linsen“ und später auch die von Instagram adaptierten „Masken“ sind Effekte, die auf einer Gesichtserkennung basieren und die dadurch entstandene Transformation in Echtzeit animieren. Außerdem sind sie interaktiv und können durch Handlungen, die von der App angewiesen werden, beeinflusst werden. „Öffne Deinen Mund“ ist beispielsweise eine oft verwendete Handlungsanweisung – befolgt man diese, während man etwa eine Hundemaske auf Snapchat trägt, so breitet sich eine riesige Zunge über das Display aus.
Die Grundlage für jede Linse ist das Selfie. Was in Selfies schon angelegt ist, kommt jedoch mit den Linsen erst richtig zum Ausdruck: Sie verleihen dem Gesicht eine Comic-ähnliche Gestalt und bringen es damit ästhetisch in die Nähe von Emoticons. Zudem gibt es ein Set an Charakteren und Emotionen, das zwar variiert – jeden Tag kommen neue Linsen hinzu und ältere verschwinden –, aber insgesamt stets vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten bietet. Linsen dienen nicht nur als Verschönerung, sondern im wahrsten Sinne des Wortes als Maske, die ihre Träger*innen einerseits von dem Druck entlastet, immer schön und gestylt auszusehen, und andererseits von der Verpflichtung entbindet, permanent interessante Inhalte veröffentlichen zu müssen. Sich ein Paar Häschenohren aufzusetzen, ist nur ein Gag, nicht so ernst gemeint – aber immerhin hat man mal wieder ‚Content‘ kreiert.

Annekathrin Kohout: Snapchat-Linsen (2016)

Like/Liken
‚Like‘ ist die Bezeichnung für einen Button, mit dessen Betätigung Nutzer*innen ausdrücken können, dass ihnen ein Posting gefällt. In den Anfangsjahren hatten die meisten Sozialen Netzwerke noch keinen „Gefällt mir“-Button, sondern lediglich die Möglichkeit, einen Beitrag zu kommentieren. Von Facebook wurde das ‚Like' schließlich Anfang 2009 eingeführt, um emotionale Äußerungen zu bündeln und damit eine schnelle und unmittelbare Interaktion mit der Plattform zu ermöglichen. Mit einem ‚Like‘ signalisieren Nutzer*innen seither, dass sie etwas positiv bewerten, oder aber auch nur, dass man etwas wahrgenommen hat. Häufig wird ein ‚Like’ auch als Gegengabe für ein selbst erhaltenes ‚Like’ erteilt – oder soll umgekehrt eine Gegengabe provozieren. Die Nutzung Sozialer Netzwerke kreist wesentlich um das Senden und Empfangen von ‚Likes’. Es hat sich bisweilen sogar eine eigene soziale Logik des Likens etabliert, die auch damit zusammenhängt, dass es auf vielen Plattformen lange kein ‚Dislike‘-Button gab – eine Tatsache, die im Netz viel diskutiert und kritisiert wurde.
Viele ‚Likes' sind zu einem Statussymbol geworden. Erfolg und Popularität wird wesentlich über ihre Anzahl gemessen.

Johannes Paßmann: Die soziale Logik des Likes. Eine Twitter-Ethnografie (2018)

Livestream
2007 kamen die ersten Livestream-Dienste auf den Markt, die es Nutzer*innen ermöglichen sollten, kostenlos und in Echtzeit ins Internet zu streamen: Ustream, Justin.tv, Livestream und Bambuser. Es folgten YouTube Live 2008, Chatroulette 2009, twitch.tv und YouNow 2011. In den letzten Jahren ging es Schlag auf Schlag: erst Meerkat, dann Periscope und schließlich Facebook-Live. Auf der deutschen Website von YouTube wird die Funktion mit dem Slogan »Go big, go live« beworben. Livestreaming wurde 2015 und 2016 als einer der wichtigsten Social-Media-Trends verhandelt.
Der große Erfolg ist vor allem auf die Verknüpfung mit Facebook und Twitter zurückzuführen, die es den Nutzern ermöglicht, ihre Live-Videos direkt an ein bestehendes Netzwerk anzuschließen und an vorhandene Freunde und Follower zu adressieren. Zudem fällt er mit der zunehmenden Echtzeit-Kommunikation zusammen, die in den klassischen Sozialen Medien durch die Fokussierung auf Sende-, Empfangs- und Lesezeiten, aber erst recht in Videotelefonaten oder -nachrichten mittels Skype, Facetime oder Snapchat forciert wird.

Annekathrin Kohout: Livesteaming is Life (2017)

Meme
1976 wurde der Begriff "Mem" in Anlehnung zu "Gen" von Richard Dawkins eingeführt, um kleine kulturelle Einheiten zu bezeichnen, die durch Nachmachen oder Kopieren von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Anders als ein Gen ist ein Mem demnach keine biologisch vererbte Information, sondern wird über Artefakte gefasst und weitergegeben. Außerhalb des akademischen Diskurses hat sich der Mem-Begriff schließlich auch in Netzdiskursen etalbiert: Dort benennt er Inhalte, die sich ähnlich wie ein Witz oder ein Gerücht viral im Internet verbreiten. Meme zeichnen sich dadurch aus, dass sie Parodien, Remixe oder Mashups auslösen, was wiederum die Voraussetzung ihrer Verbreitung darstellt. Häufig sind die Ihnalte intertextuell, beziehen sich auf andere Meme oder sonstige Inhalte aus Hoch- sowie Popkultur. Meme können dazu dienen, emotional vereinnahmende, besonders präsente (z.B. aus dem aktuellen Zeitgeschehen) und berühmte Bilder (z.B. aus dem kulturellen Gedächtnis und kunsthistorischen Kanon) zu verarbeiten. Die Entwicklung und Verbreitung überraschender Varianten erlaubt eine Distanzierung und Entlastung. 

Maria L. Felixmüller: Zum Nachleben der Kunstgeschichte in Internetmemen (2019)

Annekathrin Kohout: Soziale Medien und Aneignungsstrategien (2018)

Limo Shifman: Meme. Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter (2014)

Wolfgang Ullrich: Das Wetteifern der Bilder: Eine Archäologie der Mem-Kultur (2016)

Wolfgang Ullrich: Inverse Pathosformeln. Über Internet-Meme (2015)

Reaction Videos
Mit Reaction Videos werden gemeinhin zwei verschiedene Phänomene bezeichnet: Zum einen Bilder, GIFs oder Videos, die selbst als Reaktionen zum Einsatz kommen – beispielsweise in einem Chatverlauf oder im Kommentarbereich eines Postings. Diese verwendet man – ähnlich wie ein Emoji – stellvertretend für die eigene Mimik und Gestik. Zum anderen sind damit Videos gemeint, die eine oder mehrere Personen dabei zeigen, während sie auf etwas reagieren. Diese Videos werden meistens nicht stellvertretend für die eigenen Emotionen verwendet, sondern man betrachtet mal mehr und mal weniger voyeuristisch die Emotionen der anderen.

Rebloggen/Sharen/Teilen
Wie ‚Like' bezeichnet auch ‚Reblog‘, ‚Share‘ oder ‚Teilen‘ einen Button. Seine Betätigung führt dazu, dass der jeweilige Inhalt auf der persönlichen Timeline erneut veröffentlicht wird und somit einen erweiterten Adressatenkreis erreicht. Damit ist die Funktion des „Teilens“ das bedeutendste Werkzeug, um Inhalte in den Sozialen Netzwerken zu verbreiten. Was innerhalb kurzer Zeit von sehr vielen Nutzer*innen geteilt wird, verbreitet sich viral im Social Web. Bei vielgeteilten Bildern oder Videos spricht man dann von ‚Memen‘, ein Begriff, der 1976 (und etwas fragwürdig) von Richard Dawkins aus der Evolutionsbiologe abgeleitet wurde: Im Unterschied zu einem Gen ist ein Mem keine biologisch vererbte Information, sondern wird über kulturelle Artefakte gefasst und weitergegeben.
Die für die Sozialen Netzwerke konstitutiven Praktiken des Teilens stehen immer wieder deshalb in der Diskussion, weil viele Inhalte urheberrechtlich geschützt sind und daher eigentlich nicht ohne vorherige Genehmigung und eventuelle Vergütung verwendet werden dürfen.

Kathrin Passig: Wozu brauchen wir freie Werke? (2017)    

Wolfgang Ullrich: Über den Kick beim Rebloggen (2015)

Remediation
Durch technologische Innovationen und Weiterentwicklungen sind auch existierende Medien und damit verbundene kulturelle Praktiken einer permanenten Transformation ausgesetzt. Je schneller sich Technologien entwickeln, desto schneller altern auch die mit ihnen einst entstandenen Medien und Kulturtechniken. Allerdings wird mittlerweile einhellig davon ausgegangen, dass die der Veränderung ausgesetzten Medien nicht auch zwangsläufig verschwinden und durch neue ersetzt werden, vielmehr bestehen sie in modifizierter Form fort. Zwar sind im Internet und in den Sozialen Medien traditionelle Medien wie Malereien oder Fotografien integriert, doch tragen sie dort ein neues mediales Gewand, bestehen nicht mehr aus Farbe, Leinwand, Papier – sondern aus elektronischen Daten. Werden in diesem neuen medialen Gewand auch damit assoziierte (und z.T. anachronistisch gewordene) Medientechniken reproduziert, spricht man in Analogie zur ‚Reinkarnation‘ von ‚Remediation‘: der Neugestaltung eines Mediums in einem anderen Medium, das aber spezifische Konventionen des ersteren übernimmt. 

Shitstorm
Von einem Shitstorm spricht man, wenn eine Person oder eine Institution in den Sozialen Medien mit negativer Kritik überhäuft wird, es sich also nicht mehr um vereinzelte Formen von negativer Resonanz handelt, sondern diese schlagartig einsetzt und im Extremfall virale Dimensionen annimmt. Oft entsteht ein Shitstorm nicht aus unkoordinierten Aktionen vieler einzelner User, sondern wird von Trollen gezielt organisiert. Das Ziel eines Shitstorms besteht darin, den Ruf einer Person oder das Image eines Unternehmens dauerhaft zu schädigen oder die Betroffenen mit Beleidigungen und Herabwürdigungen zu zermürben.

Annekathrin Kohout: Storys. Über ein Social-Media-Format (2019)

Storys
Mittlerweile bieten neben Snapchat (seit 2013) auch Instagram (seit 2016) und Facebook (seit 2017) eine Story-Funktion an. Eine Story besteht aus aneinandergereihten Bildern und/oder kurzen Videosequenzen in unterschiedlich großem Umfang, die sich nach 24 Stunden von selbst löschen. In den Storys werden Impressionen aus dem eigenen Alltag oder Inhalte von anderen Nutzer*innen geteilt, Produkte beworben, Nachrichten oder Wissen vermittelt, und vieles mehr.

Trolle
Als Trolle werden Personen bezeichnet, deren Ziel es ist, die Kommunikation in den Sozialen Netzwerken zu stören. Mit penetranten und unsachlichen Äußerungen beleidigen sie andere Nutzer*innen meistens im Kommentarbereich, um sie zu provozieren. Gelingt die Provokation, stellt das für den Troll einen Trumpf und in seiner Community eine Trophäe dar. Eine Kritik am Troll dient oftmals auch einer Kritik an der gesamten unkontrollierten, emotionalisierten, widersprüchlichen Kommentarkultur in den Sozialen Medien. So verkörpert der Troll als Fabelwesen der nordischen Mythologie ursprünglich die Naturkräfte, und als solche Naturgewalt wird auch die Dynamik der Netzkommunikation gerne beschrieben, z.B. wenn von „Shitstorms“ die Rede ist.

Viralität
Eine exponentielle und meist in kurzer Zeit sich ereignende Verbreitung von Bild-, Ton-, Text- oder Videodateien in einzelnen Sozialen Netzwerken oder auch über diese hinaus bezeichnet man als ‚viral‘. Einem Virus gleich vermehren sich Kopien der Dateien; viele einzelne ‚Shares‘ lösen Kettenreaktionen aus.
Sosehr es von zufälligen Faktoren wie Ort, Zeit und nicht zuletzt bestimmten Algorithmen abhängt, welches Bild oder Video viral geht, so sehr müssen die jeweiligen Inhalte zugleich eine gewisse Disposition dafür aufweisen. Um oft geteilt zu werden, sollte etwa ein Bild dazu einladen, kommentiert und bestenfalls sogar bearbeitet zu werden und möglichst vielen Kontexten standhalten können.